WERDERFREUNDE: Gemeinsamkeit? Herzensangelegenheit! Ingo Lüttecke über sein ehrenamtliches Engagement in einem inklusiven Fanclub

Inklusionsspieltag
Auch außerhalb der inklusiven Fanfahrten werden gemeinsame Begegnungen geschaffen (Foto: WERDER/Sarah Rauch).

Von Marie Berner

Jedes Wochenende den Lieblingsverein im Stadion anfeuern. Zwischen über 42.000 anderen Fans singen, lachen, jubeln. Teil eines Fanclubs sein. Was für einige natürlich klingt, ist für andere nicht selbstverständlich. Menschen mit Beeinträchtigung oder Handicap können häufig nicht ohne Weiteres Teil von Fanclubfahrten und dem dazugehörigen Stadionerlebnis sein. Eine Ausnahme stellen die Werderfreunde Emsland Süd e.V. dar. Bei dem inklusiven Fanclub ist Teilhabe am Spieltag für alle möglich - unabhängig von körperlichen oder geistigen Einschränkungen. 2003 gründete Präsident und Vorsitzender Ingo Lüttecke den Fanclub und engagiert sich dort seit rund 15 Jahren ehrenamtlich für Inklusion.

„Ehrenamtliches Engagement war mir schon immer wichtig, das ist für mich eine Herzensangelegenheit“, erklärt Ingo Lüttecke. „Ich finde, das Ehrenamt ist eine ganz wichtige Säule in unserem System, ohne die vieles nicht funktionieren würde. Das unterstütze ich voll und habe deswegen nicht lange überlegt, den Fanclub ins Leben zu rufen und Vorsitzender zu werden“, so der 45-Jährige weiter. Der eingetragene Verein ‚Werderfreunde Emsland Süd‘ ist einer von rund 750 aktiven Werder-Fanclubs und bietet ungefähr einmal im Monat eine Fahrt zum Heim- oder Auswärtsspiel des SV Werder Bremen an, an der circa 50 Personen teilnehmen können. Durchschnittlich 40 Prozent der Mitfahrer:innen haben eine Beeinträchtigung oder ein Handicap.
 

Inklusionsspieltag
Die erste inklusive Fanfahrt fand 2005 statt (Foto: WERDER/Sarah Rauch).

Angefangen hat die Inklusionsarbeit mit einer Anfrage des Christopherus-Werks in Lingen, bei der es um die Mitnahme von Menschen aus der örtlichen Behindertenwerkstatt zu Spieltagsfahrten ging, um ihnen die Teilnahme am Stadionerlebnis wohninvest WESERSTADION zu ermöglichen.“Wir haben nicht lange überlegt und 2005 eine Probefahrt gestartet, an der zum ersten Mal Menschen mit Beeinträchtigung dabei waren“, erinnert sich Ingo Lüttecke und fügt hinzu: „Die Fahrt war ein Riesenerfolg. Und von da an kamen immer mehr Teilnehmer:innen aus der Werkstatt mit.“ Aus dieser zunächst losen Zusammenarbeit entstand schließlich eine feste Kooperationsvereinbarung zwischen dem Fanclub und dem Christopherus-Werk, zu der nicht nur gemeinsame Fanfahrten, sondern auch Veranstaltungen wie Begegnungstage oder Feste zählen.

Außerdem erreichen den Fanclub Werderfreunde Emsland Süd e.V. inzwischen immer häufiger auch Anfragen aus anderen Einrichtungen der Region. “Ich muss zugeben, dass es schon ein Mehraufwand ist, diese Fahrten zu organisieren. Je nachdem welche Beeinträchtigung ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin hat, müssen wir bestimmte Aspekte beachten. Wenn beispielsweise jemand körperlich eingeschränkt ist, planen wir bei den Abfahrts- und Ankunftszeiten mehr Zeit ein und leisten besondere Hilfestellungen“, erzählt Ingo Lüttecke. Für das Gefühl, das er zurückbekommt, lohne sich diese zusätzliche Unterstützung aber in jedem Fall: „Die Dankbarkeit der Mitfahrer:innen mit Handicap ist unglaublich groß. Das Lachen, das einem während der Fahrt entgegengebracht wird, macht sämtliche Arbeit wett. Deswegen machen wir da auch immer wieder gerne!“

Inklusionsspieltag
Bernd Schulze und Ingo Lüttecke (Foto: WERDER/Sarah Rauch).

Seit er denken kann, ist Ingo Lüttecke, der hauptberuflich als IT-Berater arbeitet, selbst Werder-Fan. „Seitdem ich im Kindergarten das Lied ‚Grün, grün, grün sind alle meine Farben‘ gesungen habe“, schmunzelt er, weist aber zugleich auch auf die besondere Verantwortung hin, die Menschen ohne Beeinträchtigung automatisch hätten: „Gerade als Fußballfan sollte man den sozialen Aspekt nie aus den Augen verlieren. Es ist eben nicht selbstverständlich, jeden Samstag zu einem Spiel fahren zu können. Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dieses Bewusstsein zu vermitteln und einen aktiven Beitrag hier vor Ort zu leisten.“

Dass das ‚SV‘ im SV Werder Bremen nicht nur für ‚Sportverein‘, sondern auch für ‚Soziale Verantwortung‘ steht, predigte bereits Klaus-Dieter Fischer, der von 2003 bis 2014 Präsident beim SV Werder Bremen war. „Wir waren damals alle unheimlich beeindruckt von Klaus-Dieter Fischer und seinem sozialen Engagement. Werders ‚LEBENSLANG-Projekte‘ bestätigten uns in unserem Tun und darin, dass wir auf den richtigen Verein gesetzt haben“, erinnert sich Lüttecke. Auch mit der Fanbetreuung des SVW machten die Werderfreunde Emsland Süd e.V. bislang ausschließlich positive Erfahrungen: „Wir können die Fanbetreuung jederzeit kontaktieren, wenn wir eine Frage haben oder Unterstützung und jeglicher Form benötigen. Mit Werder haben wir bei dem Thema Inklusion einen Topansprechpartner.“

Im Hinblick auf die Zukunft wünscht sich der 45-Jährige eine stärkere Unterstützung seitens der Politik für Fanclubs, die sich sozial engagieren möchten sowie den Abbau bürokratischer Hürden. Finanzämter würden demnach aktuell bei steuerrechtlichen Themen und Angaben zwischen Menschen mit und ohne Handicap unterscheiden, wodurch ein administrativer Mehraufwand entstehe. „Es darf keinen Unterschied mehr machen, ob jemand beeinträchtigt ist oder nicht. Das ist eine ganzheitliche Aufgabe, die nicht nur von Vereinsseite betrachtet werden kann, sondern gemeinsam von vielen Institutionen angegangen werden muss“, erklärt der Fanclubpräsident abschließend.